In Vorbereitung: Regionale Grünstromkennzeichnung durch „Regionalnachweise“

Anfang Juli 2016 beschloss der Bundestag die Novelle des „EEG 2014“ und verankerte hierbei im neuen „EEG 2017“ u. a. sogenannte „Regionalnachweise“ für direkt vermarkteten Strom aus erneuerbaren Energien. Beauftragt mit der operativen Durchführung ist das Umweltbundesamt, welches ein Regionalnachweisregister errichten und betreiben soll. Bischoff & Ditze Energy sprach mit Michael Marty (Leiter Fachgebiet I 2.7) vom Umweltbundesamt über die neuen Regionalnachweise, sowie die derzeitigen und geplanten Aktivitäten des Herkunftsnachweisregisters zur Einführung derselben.

Interview mit Michael Marty, Leiter Fachgebiet I 2.7, Herkunftsnachweisregister für Strom aus erneuerbaren Energien, Umweltbundesamt

In Vorbereitung: Regionale Grünstromkennzeichnung durch „Regionalnachweise“

Bischoff & Ditze Energy (BDE): Herr Marty, im neuen EEG 2017, welches zum 01.01.2017 in Kraft treten soll, wird es neben den Herkunftsnachweisen für Strom aus erneuerbaren Energie jetzt auch neu sogenannte Regionalnachweise geben. Was sind das für Nachweise und was verspricht man sich von diesen?

Michael Marty: Seit der Streichung des Grünstromprivilegs im Sommer 2014 kann ein Stromlieferant Kundinnen und Kunden nicht mehr direkt aus einer geförderten erneuerbaren Energie-Anlage beliefern. Dies empfanden viele Akteure des Strommarktes als misslich, und Verbraucher sind frustriert, dass sie den Strom aus den vielen sichtbaren Anlagen nicht kaufen können. Die Debatten um eine Ermächtigung im EEG 2014, die dem Verordnungsgeber die Einführung eine Grünstromvermarktung erlaubte, beendete der Gesetzgeber und schuf mit der Kennzeichnung mit Regionalnachweisen die Möglichkeit für den Stromvertrieb, einem Kunden den Strom einer ganz bestimmten, mit der Marktprämie geförderten Anlage zuzuordnen. Das Ziel dieses Konzeptes ist vor allem die Steigerung der Akzeptanz der Energiewende vor Ort. Dies erscheint auch plausibel, da sich Verbraucherinnen und Verbraucher mittels regionaler Stromprodukte mit den Anlagen vor Ort dann stärker identifizieren können, wenn sie den Strom aus diesen Anlagen kaufen können.

BDE: Wo liegt der Unterschied zum Herkunftsnachweis?

Michael Marty: Der fundamentale Unterschied ist die Vermarktungsform und damit sind die Nachweise auch streng alternativ: Während es HKN nur in der sonstigen Direktvermarktung, also für Strom ohne Förderung gibt, wird es Regionalnachweise nur für Strom geben, der mit Marktprämie gefördert wird. Weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass der Regionalnachweis rein national ausgestellt und genutzt wird; es gibt für ihn keine europäischen Vorgaben und daher auch keine ausländischen Regionalnachweise, die etwa anerkannt werden müssten. Ein Wesensmerkmal des Regionalnachweises ist, dass er nur an den Stromliefervertrag gekoppelt übertragbar ist und nicht frei handelbar wie der Herkunftsnachweis. Darüber hinaus gibt es aber auch viele Gemeinsamkeiten. Das hört man schon daran, dass viele Menschen von „regionalen Herkunftsnachweisen“ sprechen und damit Regionalnachweise meinen. Daher hat der Gesetzgeber auch vorgeschlagen, Regionalnachweisregister und Herkunftsnachweisregister in einer Datenbank zu führen.
Eine weitere wesentliche Gemeinsamkeit ist die Nutzung in der Stromkennzeichnung. Wie beim Herkunftsnachweis gilt auch für den Regionalnachweis: Ausschließlich dort ist er nutzbar, nirgendwo sonst. Der Regionalnachweis gibt dem Strom ein regionales Gesicht.

BDE: Welche Anlagen können sich für den Regionalnachweis qualifizieren?

Michael Marty: Alle Anlagen, die sich in der Direktvermarktung mit Marktprämie befinden, können am Regionalsystem teilnehmen. Dies sind weit mehr als die Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung und damit im Herkunftsnachweisregister, daher müssen wir auch die Prozesse der Registrierung von Akteuren und Anlagen so planen, dass sie für uns und die Marktteilnehmer machbar sind. Wir sind im UBA gespannt, wie viele Anlagen sich nach dem Registerstart melden werden.

BDE: Wie sieht die Energie-Branche derzeit die Nachfrage nach Regionalstromprodukten, bzw. die potentielle Nutzung von Regionalnachweisen?

Michael Marty: Die Energiebranche ist geteilter Meinung, ob man künftig Regionalnachweise nutzen möchte. Das ist derzeit aber auch verständlich: Viele Faktoren für die Produkt- und Preisentwicklung sind noch völlig unklar. So gibt es z.B. im UBA noch keine Kalkulation der Gebühren, die wir aller Voraussicht nach auch für die Regionalnachweise berechnen müssen. Da die Energiebranche also die Administrationskosten noch nicht vorhersehen kann, halten sich die meisten Betriebe doch eher bedeckt. Ich höre jedoch aus vielen Ecken, dass Regionalstrom echte Bedeutung erlangen wird. Auch heute gibt es ja schon Regionalstromprodukte, die das Regionalnachweisregister hinsichtlich der Glaubhaftigkeit auf eine neue Ebene heben wird.

BDE: Wie funktioniert die „Regionalität“ beim Regionalnachweis? Und planen Sie dazu etwas?

Michael Marty: Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Regionalität bereits sehr detaillierte Vorgaben gemacht und einen Dreischritt verordnet: Alles geht von der Verbraucherin oder dem Verbraucher aus, er oder sie spannt die eigene Region auf. Dabei geht man aber nicht von jedem Einzelnen aus, sondern von dem Postleitzahlengebiet, in dem Verbraucherin oder Verbraucher wohnen. Postleitzahlen deshalb, weil die gesamte Strombelieferung auf Postleitzahlen basiert, man kennt es beispielsweise aus Vergleichsportalen. Dort, wo die Verbraucherin oder der Verbraucher in einer Gemeinde mit mehreren Postleitzahlengebieten wohnt, nimmt man die Gemeinde als Ausgangspunkt. Um die Grenze des Postleitzahlengebietes oder der Gemeinde schlägt man im zweiten Schritt einen Kreis von 50 Kilometern. Wenn die so gewonnene Region ein Postleitzahlengebiet schneidet, wird dieses im dritten Schritt auch noch vollständig in die Region einbezogen.
Dies hört sich kompliziert an und erweist sich auch in der Realität als tückisch. So kämpfen wir mit Exklaven von Gemeinden und Postleitzahlgebieten, die Regionen vergrößern können, und mit jederzeit möglichen Änderungen der Gemeindegrenzen, die immer nachgetragen werden müssen. Aber nicht jeder Vertrieb soll diese geographischen Übungen machen, sondern das UBA gibt diese Regionen vor. Wie genau die Veröffentlichung des Regionenkonzeptes aussehen wird – ob es eine interaktive Karte mit Stromproduktionsanlagen oder eine große Tabelle mit allen Postleitzahl-/Gemeinden-/Regionenkombinationen oder beides wird – wissen wir heute noch nicht. Die mögliche Lieferregion sollte jedenfalls auf dem einzelnen Regionalnachweis verankert werden, um das Handling praktikabel zu gestalten.

BDE: Damit auch jeder weiß, wie mit Regionalnachweisen „umzugehen“ ist, soll es dafür eine „Verordnungsermächtigung zu Herkunftsnachweisen und Regionalnachweisen“ geben. Wer wird diese verfassen und wie weit ist man damit?

Michael Marty: Die Ermächtigung, eine Verordnung zum Regionalnachweisregister zu schreiben, gibt es schon. Der Gesetzgeber hat sie bereits an das UBA weitergereicht. Er hat uns auch schon gesagt, wo die Regelungen zum Regionalnachweisregister unterzubringen sein werden, indem er der ehemaligen „Herkunftsnachweis-Durchführungsverordnung“ den noch sperrigeren Titel „Herkunfts- und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung“ verpasst hat. Wir gehen aktuell sämtliche Prozesse durch, die in der Verordnung geregelt werden müssen. Im Frühjahr wird ein Entwurf vorliegen und im Jahr 2017 werden wir die HkRNDV in Kraft setzen.

BDE: Sie und Ihr Team haben bereits intensive Erfahrungen mit der erfolgreichen Einführung des Herkunftsnachweisregisters und haben im Rahmen eines Konsultationsprozesses zahlreiche Workshops, Vorträge und Informationsveranstaltungen gegeben, bzw. durchgeführt. Machen Sie das auch für das Regionalnachweisregister? Und was sind derzeit Ihre größten offenen Fragen?

Michael Marty: Das Regionalnachweisregister ist ein Instrument aus dem Markt für den Markt. Es soll vom Markt angenommen und genutzt werden. Daher hören wir, wie der Markt sich ein funktionsfähiges, aber auch unbürokratisch nutzbares Regionalnachweisregister vorstellt. Auf zwei durch das UBA durchgeführte Workshops können wir inzwischen zurückblicken, deren Ergebnisse wir im Internet unter www.uba.de/regionalnachweisregisterpublik machen, um eine Diskussion und Feedback an uns anzuregen. Die Resonanz auf die Workshops war bisher echt überwältigend! Nähme man allein die Teilnahme an den Workshops zum Gradmesser des Erfolges für Regionalstrom, hat dieser eine Zukunft.
Unsere Fragen betreffend die Direktvermarkter und die vertragliche Kopplung der Regionalnachweise haben wir inzwischen mit den Workshopteilnehmenden beantwortet. Anfang 2017 werden wir mit den Daten weitermachen, die wir für den Betrieb des Regionalnachweisregisters benötigen: Was benötigen wir, woher, von wem und wie kommen die Daten?

Dr. Klaus Behrens

Michael Marty (UBA)
© Bischoff & Ditze Energy